Autor: Mareile Mevihsen

  • Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten

    Ich bin groß gewor­den in einer Welt vol­ler Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten. Es gab kla­re Rol­len­bil­der in mei­ner Fami­lie. Es gab so etwas wie Jah­res­zei­ten jen­seits von ganz­jäh­rig 15 Grad. Als die Mau­er fiel war ich fünf Jah­re, ich erin­ne­re mich noch. Seit­dem sind die Gren­zen offen, letzt­lich euro­pa­weit. Oder waren es zumin­dest bis zum Früh­jahr die­ses Jah­res.…

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    Evi

    Ich ver­su­che es abzu­schät­zen, als er aus dem Auto steigt. Nicht so schlecht, den­ke ich, viel­leicht ist dei­ne Vor­ah­nung doch falsch. „Und?“ fra­ge ich. „Sie stirbt“, sagt er. Sechs Jah­re leben wir hier. Eine klei­ne, ruhi­ge Stra­ße gesäumt von Bäu­men. Zu die­ser Jah­res­zeit knirscht es, weil sie voll ist mit her­un­ter­ge­fal­le­nen Nüs­sen. Die Woh­nung war…

  • Erlö­sung

    Es war der Ers­te Hil­fe Kas­ten, von dem ich nicht wuss­te, dass er in mei­nem Schrank ver­steckt ist. Drei Tage Meer. Nur für mich. Coro­na brach­te die Sache ins Rol­len. Alles ist gut, sag­te ich mir immer wie­der. Die Kin­der brau­chen jetzt Sicher­heit und Struk­tur und sie brau­chen dich. Also schuf ich Struk­tur und Sicher­heit.…

  • Sturm auf dem See

    Manch­mal hilft nur atmen. Wenn die Enge dich erdrückt. Wenn die Per­spek­ti­ve fehlt. Wenn der Sturm in dir tobt und die See hohe Wel­len schlägt. Wenn dein Herz bis zum Hals schlägt. Wenn die Luft dünn wird. Dann hilft manch­mal atmen. Manch­mal reden. Manch­mal wei­nen. Manch­mal hilft auch zulas­sen. Bewusst die Wel­le durch mich hin­durch…

  • Was fehlt

    Mir geht das Schrei­ben ver­lo­ren. Immer wie­der wenn es schwie­rig wird, ver­lie­re ich die Spra­che. Füh­le mich hilf­los, ohn­mäch­tig, per­spek­tiv­los. Bin voll von Wor­ten und doch: Kei­ne Bün­de­lung. Als wären alle Wor­te ver­braucht. Jeder Tag ist gleich. Es gibt eine Struk­tur, die hält und trägt. Es gibt schö­ne Momen­te. Aber es gibt kein Leben. Ohne Men­schen…

  • Home-Office

    Sein Home-Office ist oben und eine Tele­fon­kon­fe­renz jagt die nächs­te. Im Grun­de genom­men Pro­gramm von 08 – 17:00, auch wenn es Unter­bre­chun­gen gibt. Manch­mal benei­de ich ihn dar­um. Mein Home-Office ist am Ess­tisch, mit­ten im Leben. Zwi­schen Res­ten vom Früh­stück, Mal-Bas­­tel-Knet-Play­­mo­­bil-Gesel­l­­schafts­­­spie­­len. Hin­ter Blu­men­va­se und Ker­zen­hal­ter. Mein Home-Office ist drau­ßen in der Hän­ge­mat­te zwi­schen Geschwis­ter­streits, „Mama kannst du…

  • Die Geschich­te von N.

    “Ich bin schwan­ger”, sagt sie und ich ver­schlu­cke mich fast an mei­nem Essen. “Ich schaff das nicht noch­mal”, den­ke ich sofort. Aber ich muss. Wenn sie es schafft, dann schaf­fe ich das auch. Ich muss. Eine ande­re Opti­on gibt es nicht. Fast zwei Jah­re ist es her, da stand ich auf dem Fried­hof und habe…

  • Bar­fuß

    Vor andert­halb Jah­ren habe ich das ers­te Mal Bar­fuß­schu­he ange­habt. Gekauft hat­te ich sie blind. Ich hat­te mich lan­ge mit dem The­ma aus­ein­an­der­ge­setzt und mich dann schließ­lich für ein aus­ge­spro­chen hüb­sches Modell ent­schie­den. Das Pro­blem an der Sache: Jetzt ist der Zeit­punkt, an dem ich eigent­lich alle ande­ren Schu­he abge­ben kann, denn tra­gen wer­de ich…