Viraler Traditionsbruch: Lebenskraft oder Plötzlichkeit?

Es gibt Tage, da sitze ich am Abend da und irgendwie scheint alles gefügt. Dieser Sonntag war auch so. Naja, nicht gefügt, aber als hätte jemand einen Faden durch den Tag gesponnen.

Morgens übt Jesus im Evangelium (Mt 5,17-37) noch den Aufstand. „Ihr habt gehört…“ – „Euch ist gesagt worden…“ – „Ich aber sage Euch…“ Motto des Mannes aus Nazareth: Die Regeln sind ok, aber nicht menschlich. Lasst mich die mal kurz überspitzen und Euch zeigen, dass das unmenschlich ist was da von Euch verlangt wird. Seid Euch bewusst, dass Ihr immerzu Traditionsbrecher sein müsst, wenn diese Regeln für Euch gelten. Und gerade das ist doch menschlich!

Danach die Bundesversammlung zur Wahl des neuen Bundespräsidenten. Da hielt Norbert Lammert eine geniale Rede über westliche Werte, mit Kritik an der nationalistischen Abschottung mancher Staaten und mit einer Erinnerung an die Geschichte, die unserer Menschheit sagt: Tut das nie wieder! Aber für jemanden wie mich, der seine Stadt Aachen so sehr liebt, wurde klar, auch unsere vielgespriesene Geschichtsträchtigkeit hat Brüche. Kaiserkrönungen am laufenden Band in Aachen? Vergiss es! Die Geschichte schreibt sich gerade durch Brüche fort. Auf-Brüche, Traditions-Brüche, Ab-Brüche… Ist gerade das laut Jesus nicht menschlich?

Dann der Abend: „Fiddler on the Roof“ im Aachener Theater. Nach 3,5 Stunden ist das Dorf der Juden geräumt, jeder musste fliehen. Nur der Fiddler bleibt am Ende. Der Garant der jiddischen Lebensmelodie im Stück. Und er stirbt, wird ermordet. Vorher legt er aber seine Sprache, die Geige ab und wird dann eiskalt umgebracht. Aber die Geschichte ist (noch) nicht vorbei. Ein kleines Mädchen taucht auf der Bühne auf, nimmt sich die Geige und spielt die Melodie des Fiddler – die jiddische Lebensmelodie. So grausam der Ab-, Auf-, Um-Bruch ist, es geht weiter. Die Menschlichkeit überlebt, auch wenn die Tradition sich wandelt und ein Mädchen jetzt die Geschichte erzählt.

Das Leben lohnt sich, sagt mir mein Gefühl am Abend! Gerade habe ich die unbändige Lust aus den Brüchen zu leben. Falsch scheint es nicht zu sein!

«

»

Wir arbeiten aktuell an einem Restart von Raumrauschen.

Du hast selbst Freude an Geschichten, am Schreiben, an Kreativität? Hier bist du richtig: Wir suchen dich als Autor*in für Raumrauschen.

Wir sind Menschen, die am digitalen Lagerfeuer Geschichten erzählen. Aber wir teilen nicht nur die Leidenschaft zu schreiben, wir alle glauben. Wir glauben vor allem, dass Gott nicht nur in Kirchen zuhause ist, sondern uns jeden Tag in kleinen und großen Dingen begegnen kann. Genau davon wollen wir erzählen: Von den Schnittstellen und Bruchkanten, an denen uns im Leben ein Rauschen begegnet. Egal ob etwas durchrauscht, ob wir es hören oder sehen. Vielleicht ahnen wir es auch nur. Es ist uns aber viel wert. Deshalb wollen wir es teilen.

Unsere Website wird ganz neu, bist du beim Restart von Raumrauschen dabei?
restart@raumrauschen.de (Yippieh!)