Verfügbarkeit
Heute würde ich gerne das Handy abschalten. Es gibt immer Tage, da wünscht man sich, dass es eine Nachricht anzeigt. Aber aktuell mehren sich die Tage, da steht es nicht still, dabei bin ich nicht mal in Whatsapp-Gruppen.
Ich bin social-media-müde, ich würde gern mal offline gehen. Praktisch unmöglich. Verfügbar sein ist das neue “sich-rar-machen”. Also koordiniere ich bei den Orientierungstagen mit der Schulklasse, die ich teame, in den Pausen folgende Dinge: Verabredungen für die nächsten zwei Wochen, Krankenhausbesuchsdienst bei Papa, die Kinderbetreuung, wer mit dem Hund raus geht, mehrere Ebay-Käufe, ein beruflich moralisches Dilemma an zwei Fronten, beantworte alle aufgelaufenen “Lang nichts mehr von dir gehört”-Anfragen, schicke nochmal grad die Bitte, mir am Abend was aufzunehmen und bereite nebenbei die nächste Arbeitseinheit vor. Das alles übrigens auf durchschnittlich fünf Stunden Schlaf wegen gebrochener Rippe.
Die meist geschriebene Antwort auf Nachrichten meinerseits lautet derweil “Du sorry, konnte mich nicht melden, weil….aber so in zwei Wochen hab ich wieder Zeit.” Nur, dass ich die nicht haben werde, weil die schon längst belegt sind mit den Anfragen von letzter Woche.
Ich mag nicht mehr verfügbar sein. Ich mag auch nicht mehr smalltalken diesen Monat. Ich will keine bestürzten Smileys mehr. Und auch keine küssenden. Keine Fake News und keine Katzenvideos. Keine was-wäre-wenns. Keine Beziehungen, die nur virtuell stattfinden.
Ich will ein bisschen mehr echtes Leben. Mit weniger Veranstaltungseinladungen und mehr spontanem Kaffeetrinken. Mit Lachen, das ich hören kann und nicht nur sehen. Mit Anfassen, nicht mit küssenden gelben Bildern von Emotionen, sondern mit festen Umarmungen oder einem Handschlag. Ich will Gespräche, jenseits von Selbstdarstellungen und Maskerade. Und die nicht zwischen zwei anderen Terminen liegen. Mit mehr Nähe als Einsamkeit. Und mehr Ehrlichkeit. Und manchmal möchte ich einfach da sein dürfen, ohne etwas sagen zu müssen. In dem Wissen, mich geborgen zu fühlen bei Menschen. Und die Ruhe haben, ihnen etwas Vergleichbares zu sein.
Und ich weiß nicht mal wann mein letztes Gebet war, so fliegt die Zeit. Aber vielleicht war das grad eins. Und vielleicht hörst du es ja, wenn du denn überhaupt verfügbar bist für mich. Amen.