Auf Knopfdruck noch mal Oberstufenschülerin sein

In meinem Büro, da steht ein Grundig Radiorecorder, 455 stereo. Dieses Gerät hat vor Jahren mein Bürovorgänger hinterlassen. Als ich das Büro damals übernahm, war ich glücklich, denn ich konnte meine alten Musikkassetten hören.

Das tue ich bis heute. Immer mal wieder.

Heute ist es der Moment, an dem ich mich zu wiederholten mal über Verwaltungsstrukturen, Geld und nicht vorhandenen Budges ärger. Das ist mein Blick auf die Dinge … Ja, nicht nur ärgern tue ich mich, sondern in die Tischkante beißen könnte ich. Wer mich kennt, der weiß, das es sehr lange dauert, bis das passiert. Aber wenn, dann habe ich einen echten Hals. Und das ist jetzt so ein Moment. Grrr.

Eben in diesem Moment deckte ich: „Anne, leg dich in deinem Bürostuhl zurück und drücke auf die Playtaste. Es lohnt sich nicht. Es gibt größeres und wichtigeres als Strukturen und die Reibereien um Geld.“

Der Satz war noch nicht ganz zu Ende geadacht, da laufern die ersten Töne der Kassette „Jackson Browne Mix“.

Sofort saß ich in geflickter Jeans, T-Shirt, Roverhalstuch und nackten Füßen auf dem Beifahrersitz in einem VW Bus. Mit offenem Fenster, im Sommer und voll aufgedreht diese Kassette. Mit Leichtigkeit und unbeschwert in die Zeit. Es muss das Jahr 1992 gewesen sein. Mir fliegen die Bilder und das Gefühl der Zeit durch den Kopf. Ideale. Ein Leben in Wahheit, Freiheit, Solidarität und christlicher Zuversicht. Ein Zeit mit langen Abenden am Lagerfeuer, im Domizil der Pfadfinder*innen und die vielen Partys in den Pfarrheimen. Bis zum Morgengrauen und von da aus, mal eben frisch geduscht und mit Broten versorgt, in den Samstagsunterricht in der Schule.

Da Klack der Kassette holt mich ins Jetzt. Oberstufenschülerin bin ich schon lange nicht mehr, schade irgendwie. Nur irgendwie, denn irgendwie bin ich immer noch so wie zu Oberstufenzeiten. Gerade habe ich gespürt: Ein Leben in Wahrheit, Freiheit, Solidarität und christlicher Zuversicht – das lebe ich. Immer.

Ich will mich nicht verbiegen und weiterhin Dinge in Frage stellen. So, wie ich immer schon war. Woran man Christen und Christinnen erkennen kann:eine Haltung haben, die den Menschen dient. Also werde ich weiter an dem bleiben, was mich oben geärgert hat. Ich wäre sonst nicht ich. An der Stelle: danke an die, Pfadileiter*innen von damals und die Lehrer*innen der Montessorischule in Krefeld. Es war eine großartige und geist-reiche Zeit! Vergelts euch Gott. Danke an den ehemaligen Besitzer dieses Grundiggerätes. Es tut bis heute gute Dienste und hat mich heute vor Splittern im Mund verschont.

Foto: Glen Carrie/Unsplash

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