Weihnachten andersrum

Mit meiner damaligen Partnerin war ich mal auf einer explizit schwulen privaten Weihnachtsfeier eingeladen — wir waren die Quotenheten. Es war eine bunte, laute, schrille, lustige, feuchtfröhliche Feier. Aber nicht nur der Kontrast der aktuellen Realität macht mir bei den Erinnerungen ein gewisses Gefühl der Fremdheit, sondern auch das Erleben der Feier an sich. Es war einfach fühlbar, dass wir die Fremden waren; die, die nicht dazugehören. Auch wenn wir mit dem Gastgeber gut befreundet waren und viele Dinge gemeinsam unternommen und organisiert hatten — es ließ sich nicht leugnen, dass wir eben nicht Teil der Gemeinschaft waren, die sich da traf; die ihre Gebräuche, Gewohnheiten und In-Jokes hatte, und die an einigen Stellen auch besonders aufdrehte, um die Heteros ein bisschen vor den Kopf zu stoßen. Lust an der Provokation ist ja keinem so richtig fremd. Und natürlich hatte es den gewünschten Effekt: an den richtigen Stellen hatte ich den roten Kopf. Das gehörte zum Spiel, das gehörte zur Rolle, die mir dort zugedacht war.

Und trotzdem: getragen war die Feier von einer geteilten Lust am Leben. Von der Freude, vom einander gegenseitig und sich damit selbst beschenken. Die kleinen Neckereien waren Ausdruck einer gewissen Verbundenheit und vertrauensvollen Basis.

Ich muss auch daran denken, weil diese Community — es war Mitte der Neunzigerjahre — gerade aus einer Phase kam, in der viele Menschen an AIDS gestorben waren, in der noch immer sehr viele an AIDS erkrankt waren und von ihrem Umfeld betreut wurden. Und neben der Trauer um die Freunde, neben der Sorge um die Erkrankten gab es auch noch die Stigmatisierung – es waren gerade mal zehn Jahre vergangen, seit die Krankheit als „Schwulenkrebs“ bezeichnet worden war –, neben all den anderen Erfahrungen der Abwertung und Ausgrenzung, die junge Schwule eigentlich immer in ihrer Biographie haben. Auch auf der Fete gab es die Momente „Weißt Du noch, letztes Jahr hat noch … mit uns gefeiert.“ oder „Wie geht es denn …“.

Und trotzdem: es war eine bunte, laute, fröhliche, lustvolle Feier. Und man war sogar für Heten offen.

Text: Konrad Neuwirth
Foto: Ibrahim Boran/Unsplash

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