Glaube, Liebe, Hoffnung, Mut

Ich gehe aus. Zumindest fühlt es sich so an – aus dem Familienmodus heraus. Sabberfreies Outfit, gutes Make-up, Rouge zur Feier des Tages. “Schön dass du mal raus kommst” sagt der Mann. Und ich muss schmunzeln. Sonntagabend ist Jugendkirchen-Zeit. Ich fahre nach Krefeld, um mit den Kollegen das fünfjährige Jubiläum der Jugendkirche Krefeld zu feiern. Bevor es los geht habe ich schon fünf Umarmungen und drei Small-Talks geschafft. Ein bisschen ist das wie nach Hause kommen. Unheimlich für ein Arbeitssetting.

Im Gottesdienst sind Glaube, Liebe, Hoffnung zentral. Und ich ganz bei mir. Die Jugendlichen schaffen es, dass ich mich als Teil des Ganzen fühle (passenderweise Titel des Abendgebetes). Lauthals gröhle ich die einschlägigen Songs mit. Lasse mich ein, lasse mich berühren. Ein paar Mal schlucke ich Tränen der Rührung hinunter. Ich sitze zwischen Fremden. Und doch unter Freunden.

Beim Ausklang danach folgen mehr Umarmungen. Und mehr Gespräche. Kein Small-Talk diesmal, sondern Tiefgang. Weil wir alle etwas gespürt haben an diesem Abend. Fast möchte ich es Gottesgegenwärtigkeit nennen. Bin mir aber nicht sicher, ob ich mutig genug bin das so zu schreiben.

Denn neben Glaube, Liebe und Hoffnung wird mir ein anderes Wort für diesen Abend in Erinnerung bleiben: Mut. Da ist dieses Gespräch mit jemandem, den ich kaum kenne. Wir wissen über und von einander, ein paar freundliche Worte, mehr nicht. An diesem Abend ist sie mutig, sie lässt mich teilhaben an ihrem Leben, ihrer Geschichte. Und wir reden und reden und plötzlich ist sie mir ganz nah. Eigentlich kenne ich dich schon lange, denke ich. Denn ich lese zwischen deinen Zeilen so wie du zwischen meinen. Mutig findet sie mich, sagt sie. Dabei ist sie diejenige, die mir zwischen Unmengen von Menschen gerade ein Stück von sich schenkt. Die mich beeindruckt und tief bewegt.

Eine halbe Stunde später. Richtig, da ist noch dieser andere Mensch. Einer der ich-weiß-nicht-was ist. Ein Bekannter? Zeitvertreib? Ein mal-Freund-werder? Einer jedenfalls, den ich nicht greifen kann. Der mich zweifeln lässt an mir, an meinem Gefühl für Menschen. Mut, erinnere ich mich, was heißt also Mut? Ich setze alles auf eine Karte. Bin schonungslos ehrlich, investiere, spreche aus was ich denke. Mehr kann ich nicht tun. Nur warten, ob das wirklich mutig war oder einfach nur naiv. Zweiteres macht mir Angst.

Das ist nämlich leider die Sache mit dem Mut. In den seltensten Fällen fühlt er sich gut an im Moment des Tuns. Es ist mehr so wie das “Nichts geht mehr” am Roulette- Tisch. Weil mutig sein nicht nur heißt, sich für etwas einzusetzen oder eine Entscheidung zu treffen, sondern auch, sich verletzlich und angreifbar zu machen und mit Konsequenzen leben zu müssen. Aber wer nur auf das schaut, was er zu verlieren hat, der wird nie eine Chance haben, den Reichtum einer mutigen Entscheidung zu ernten. Der Entscheidung für einen Beruf, eine Familie, ein Abenteuer, eine Weltreise. Teilhaben am ehrlichen Lachen oder ehrlichen Tränen eines Gegenübers. Für heilsame Wahrheiten und wahrhaftiges Mensch werden. Für das Engagement für andere. Für Glauben ohne zu wissen. Für ein Wort, einen Händedruck, eine Umarmung, einen Kuss, von dem wir wissen, dass sich damit alles ändern wird.

Glaube, Liebe, Hoffnung… Mut. In Gottes Gegenwart wird das möglich.

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