Wut

So langsam macht es mich wahnsinnig. Schon während meines Theologie-Studiums und dann auch zur Diakonen- und Priesterweihe gab es immer wieder diese Unterstellung:

Wie finden Sie den Mut, in dieser schwierigen Zeit für die Kirche den Weg als Priester gehen zu wollen?

Unglaublich! Vor wenigen Tagen war im Aachener Dom wieder Priesterweihe und auch dort stand diese Frage im Raum. Den beiden Kandidaten wurde diese Frage auch indirekt an den Kopf geworfen. In Verbindung mit dieser Frage steht dann eine Aufzählung der Herausforderungen:

  • Finanzprobleme
  • Missbrauch
  • Prävention
  • Imageverlust der Kirche
  • Statusverlust des Priesters
  • Gläubigen-, Geld- und Hauptamtlichenmangel

Die Liste kann ich noch fortschreiben. Es ist nicht so, dass mich diese Punkte nicht interessieren, aber sie sind doch nicht die prägendsten Fragen für meine Entscheidung Priester zu werden. Wenn so viele negative Dinge diese Entscheidung beeinflussen würden, dann müssten die Kirche und gerade ihre Mitarbeiter/innen ein Haufen von kranken und depressiven Menschen sein. Das erlebe ich so aber nicht! Ich kenne ganz viele motivierte Menschen in Kirche (auch Priester), die den Laden bewegen wollen. Wir wissen um diese Herausforderungen in der Gesellschaft und in der Kirche. Aber das prägt doch nicht mein Priestersein! Sonst könnte ich mir direkt die Kugel geben!

Meine Eltern hatten auch Bedenken: Wie wird das mal mit der Rente sein und was machst Du, wenn Du einsam und allein abends auf deinem Sofa sitzt? Auch diese Anfragen haben mich nicht beeindruckt!

Ich bin Priester, weil ich Feuer gefangen habe von Jesu göttlichem Blick auf den Menschen. Weil ich überzeugt bin, dass in jedem Menschen ein göttlicher Orkan weht, der diese Welt zu etwas Gutem verändern kann. Weil ich in jedem Menschen ein Talent entdecken kann, das kein anderer Mensch je hatte und haben wird. Weil ich es liebe, mein Leben mit diesem Gott zu feiern und dies in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu tun.

Was mich von diesem Beruf heute vielleicht eher abhalten könnte, dass sind die Miesmacher und Pessimisten. Da sind die verknöcherten Mauerblümchen, die sich von der Welt abschotten und in Gold und Brokat das Heil suchen. Da sind die Eintönigen, die unserem Lob den Schwung und die Klangfarbe nehmen. Da sind die Bürokraten, die den Reichtum unseres Glaubens in Archiven und Nostalgie verwalten.

Das macht mich wütend! Warum möchte heute noch jemand Priester werden in solch einem Verein? Ich würde es jederzeit wieder tun!

Foto: mon*dieu / photocase.de

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