Wahl­tag

von Markus Heib

Wahl­tag

von Markus Heib


Bald ist wie­der Wahl­tag. Wir sind auf­ge­for­dert, von unse­rem demo­kra­ti­schen Recht Gebrauch zu machen und unse­re Stim­me einer Par­tei zu geben.

Jetzt gera­de läuft oder soll­te ich bes­ser sagen, tobt der Wahl­kampf. Jeden Tag wer­den wir über­flu­tet mit Nach­rich­ten, mit Wahl­ver­spre­chen und Aus­sa­gen über die ver­meint­li­chen bestim­men­den The­men die­ser Zeit. Es wird debat­tiert, gerun­gen und gestrit­ten. Es geht um mei­ne Stim­me, um mein Kreuz­chen am Wahl­tag.

Am 24. Febru­ar ist dann die­se Wahl alles gelau­fen und Geschich­te. Wir war­ten auf den nächs­ten Wahl­kampf, die nächs­te Wahl, um dann wie­der ein zu Kreuz machen, unse­re Stim­me abzu­ge­ben.

Doch ich den­ke, es gibt für uns kei­ne Wahl­un­ter­bre­chung. Wenn ich auf mei­nen All­tag schaue, dann habe ich jeden Tag die (Aus)Wahl zwi­schen den unter­schied­lichs­ten Mei­nun­gen und Lebens­ent­wür­fen. Dabei gebe ich unent­wegt mei­ne Stim­me ab, egal ob ich sie laut und deut­lich ver­nehm­bar ein­set­ze oder mich still im Hin­ter­grund auf­hal­te.

Wir erle­ben seit eini­ger Zeit eine Ent­wick­lung in unse­rer Gesell­schaft, wo die Mei­nungs- und Stimm­viel­falt unbe­grenzt erscheint und Wahr­hei­ten, Halb­wahr­hei­ten und Fake News um die Mei­nungs­ho­heit rin­gen. In jedem Augen­blick kön­nen wir blei­ben oder gehen, Ja sagen oder Nein.

Umso wich­ti­ger ist es da, sich klar und erkenn­bar zu posi­tio­nie­ren. Jede Stim­me zählt, wenn es dar­um geht, die Wür­de allen Lebens wert­zu­schät­zen und wenn nötig zu (be)schützen. Oft machen wir durch unser Tun oder unser Unter­las­sen bewusst oder auch unbe­wusst unser Kreuz. Wir sind also an jedem Tag Wäh­le­rin oder Wäh­ler. Wir tra­gen so an jedem Tag (Mit)Verantwortung für das Gesche­hen in unse­rer klei­nen und gro­ßen Welt. Umso wich­ti­ger ist es, dass wir unse­re Stim­me bewusst und ver­ant­wor­tungs­voll hör­bar wer­den lassen.Ich gebe sie ab, wenn ich vor dem Super­markt dem Obdach­lo­sen Zei­tungs­ver­käu­fer begeg­ne. Ich gebe sie ab, wenn ich mich posi­tio­nie­re, in der Dis­kus­si­on um Krieg und Frie­den, um Waf­fen­lie­fe­run­gen ja oder nein.

Ich höre mei­ne Stim­me, wenn ich mich ver­hal­te zu Men­schen, die in sozia­ler Not leben oder fremd in die­sem Land aus sehr unter­schied­li­chen Moti­ven nach Unter­stüt­zung suchen. Sie ist ver­nehm­bar in mei­ner Fami­lie, im Gespräch mit Freun­den oder am Arbeits­platz.

Jeden Tag gebe ich mei­ne Stim­me ab in einer Welt, die in Bewe­gung ist, so schnell, so anstren­gend, so for­dernd wie ver­mut­lich seit lan­ger Zeit nicht mehr. Die Medi­en machen es mög­lich, dass es unzäh­li­ge Pro­phe­ten, unzäh­li­ge Wahr­hei­ten und Emp­feh­lun­gen gibt. Und ich bin mit­ten­drin, wir sind mit­ten­drin, im Auge des media­len und mensch­li­chen Mei­nungs- und Stim­mungs­or­kans. Mal mit­ge­ris­sen von die­sem Trend, mal hin- und her geschleu­dert von die­ser Erfah­rung oder jenem Ereig­nis. Und dann muss ich wäh­len.

Nein, dann darf ich wäh­len. Weil die­se Frei­heit habe ich, Gott sei Dank.

Es ver­geht kein Tag, an dem ich nicht mei­ne Stim­me abge­be und so bewusst auch ein Kreuz mache, ein Zei­chen set­ze.

Es ver­geht kein Tag, an dem ich nicht mit mir und mei­ner Hal­tung gefor­dert bin und mich mit mir selbst, mei­nem Den­ken und Han­deln aus­ein­an­der­set­ze muss.

Und was soll ich ihnen sagen: Mal ver­zwei­fe­le ich an mei­ner Stimm­ab­ga­be, manch­mal bin ich von mir selbst bit­ter ent­täuscht und ja, immer wie­der bin ich auch glück­lich, zufrie­den mit mei­ner Stimm­ab­ga­be, mei­ner Wahl.

Die­ses mit mir selbst rin­gen in Frei­heit ist eine Her­aus­for­de­rung, ein wun­der­ba­res Geschenk und eine gro­ße Ver­ant­wor­tung. Dies alles ist ver­bun­den mit unse­rer Demo­kra­tie, mit unse­rem Bild von einer Gesell­schaft und den Umgang der Men­schen mit­ein­an­der. Vie­le gewin­nen die­sen Blick auf das Leben aus einem christ­li­chen Men­schen- und Wer­te­bild.

So ver­bin­den sich in die­ser Frei­heit (m)ein Leben und (m)ein Glau­be. Das ist ein kost­ba­rer Schatz, den es zu schüt­zen gilt.

Frei­heit und Demo­kra­tie, Men­schen­wür­de und Gerech­tig­keit sind kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit. Sie brau­chen Bestä­ti­gung und Bestär­kung, das Kreuz an der rich­ti­gen Stel­le, im rich­ti­gen Moment.

Wel­chen Wer­ten, wel­chen Lebens­ent­wür­fen, wel­cher Hoff­nung, wel­chen Men­schen und Über­zeu­gun­gen gebe ich mei­ne Stim­me?

Es kommt dabei auf jede Stim­me an… immer, nicht nur bei der Bun­des­tags­wahl.

Jeder Tag ist Wahl­tag.

Foto: Mar­kus Wink­ler/pexels