Über Blät­ter

von Mareile Mevihsen

Über Blät­ter

von Mareile Mevihsen

Ich sah ein Blatt vom Baum fal­len, neu­lich auf einem Spa­zier­gang. Ich behaup­te zwar in jeder Jah­res­zeit, sie wäre mir die Liebs­te, aber mal ehr­lich, nichts kommt dem Herbst gleich. Und der gol­de­ne Okto­ber mach­te es mir die­ses Jahr auch beson­ders leicht, bei stun­den­lan­gem Wan­deln unter sei­nen Son­nen­strah­len.

Der Herbst ist wohl von jedem geliebt, so lan­ge er uns sol­che Tage schenkt. Kom­men die trü­ben Tage mit wenig Licht sieht das anders aus: Mit dem Regen kommt auch die Melan­cho­lie.

Kein Zufall, dass wir zu die­ser Zeit im Kir­chen­jahr unse­rer Toten geden­ken, wenn die Tage dun­kel wer­den und es noch so weit hin ist zum Früh­jahr. Da wer­den Lich­ter ent­zün­det und Grä­ber bepflanzt. Und ich bin froh dar­über, dass wir uns in Kir­che dem noch stel­len, wo doch der Tod gesell­schaft­lich so weit weg ist von uns. In Mul­ti­op­ti­ons­ge­sell­schaf­ten will kei­ner ster­ben oder damit kon­fron­tiert wer­den.

Eige­ne End­lich­keit? Würd ich auch gern abbe­stel­len. Jen­seits? Habe ich nicht gebucht.

So fiel also vor mir die­ses Blatt vom Baum. Und ich stand dort und bewun­der­te es und es rühr­te mich an: So schön sei­ne Blü­ten im Früh­jahr, so frisch sein Grün im Som­mer, so kommt doch nichts sei­nem gol­de­nen Glanz im Herbst nach. Und auf dem Höhe­punkt sei­ner Schön­heit, sei­nes Seins, fällt es her­ab.

Es weh­te kein Lüft­chen, kein Wind­stoß zerr­te an ihm, allen­falls wars ein lei­ses Säu­seln, als sein Flug begann. Dreh­te hier und da noch eine Schlei­fe, der Erde ent­ge­gen, der es ent­stamm­te.

Ster­ben, das will ich immer noch nicht. Aber in einem fal­len­den Blatt begeg­ne­te mir neu­lich das Leben. Und das Wis­sen dar­um, dass irgend­wann ein neu­er Früh­ling kom­men wird. Das Blatt wird dann kei­nes mehr sein. Aber es ist nicht ver­schwun­den. Es ist immer noch irgend­wie da.

Man könn­te spre­chen vom Kreis­lauf des Lebens. Ande­re nen­nen es Schöp­fung.