Sie hatte mich beim ersten Miau…

Alles begann vor ziemlich genau neun Jahren mit den drei magischen und gefährlichen Worten der Frau an meiner Seite: „Nur mal gucken…“

Kurz darauf standen wir im Zimmer eines Kölner Tierheims. Kratzbaum, Katzenklo, Fressnäpfe und ein großes Sofa. Die Mitarbeiterin sagte: „Hier sind zwei, die wurden von der Feuerwehr gebracht. Der Vorbesitzer hat sich umgebracht und wurde erst nach Tagen gefunden.“

Ein graugetigerter Kater steckte den Kopf unter dem Sofa vor und inspizierte uns neugierig. Er hatte die hübschesten Augen der Welt. Meine Freundin hob mutig und vorsichtig das Sofa an, um die zweite Katze zu suchen und löste damit ein Fauchen aus, wegen dem wir ihr später fast den Namen „Edna“ gegeben hätten, – wegen dem Vulkan. Bis zum Abholtag wussten wir nur: Die Katze war schwarz. Sonst nichts.

Wir wagten es trotzdem. Unter (m)einer Bedingung: Der neugierige Kater sollte „Findus“ heißen und „meiner“ sein, weil ich noch nie zuvor Haustiere hatte. Die Frau an meiner Seite akzeptierte und taufte die widerspenstige Katze „Wilma“ – wie in „Feuerstein“.

So zogen kurz nach Karneval die Stubentiger bei uns ein – und in der ersten Nacht schlief ich schlecht, weil da Krallen auf dem PVC klackerten. Für mich waren es Raubtiere.

Die schwarze verschwand umgehend im Kleiderschrank und ward fast nie gesehen. Beide liefen geduckt davon, sobald man eine Wasserflasche trug oder beim Geräusch von Geschirr, das in die Schublade eingeräumt wurde. Vor unserem geistigen Auge entstanden Bilder von fliegenden Schlüsseln und Flaschen.

Während meine Freundin sich resolut Kater wie Katze aus dem Schrank schnappte und sie beschmuste, ging ich beiden respektvoll aus dem Weg. Wilma eilte mit dem Bauch fast auf dem Fußboden durch die Zimmer, wenn sie mal zum Klo oder vom Fressen kam und ich machte ihr Platz, damit sie durch die Türrahmen sprinten konnte. Der Kater aber verschmähte mich zusehends und suchte Frauchens Kraulattacken.

Und so lag ich eines Abends allein auf meinem Bett und döste. Und da sprang mir Wilma vor die Nase und legte sich direkt vor mein Gesicht. Und blieb liegen, als ich vorsichtig meinen Arm zwischen ihre Pfoten schob und ihren Bauch kraulte.

Neun Jahre später sind wir immer noch ein Traumgespann. Wilma hat zwei Umzüge und diverse Stresssituationen klagefrei mitgemacht.  Sie ist inzwischen alt und hat seltsame Aussetzer. Nach jedem Gang vom Fressnapf singt sie z.B. allen das Lied ihrer Völker. Auch mitten in der Nacht. Oder sie boykottiert eine Futtersorte nach der nächsten. Manchmal macht sie mich wahnsinnig. Aber dann erinnere ich mich an die geduckte Katze, die sich nur versteckte und mein Herz schlägt für dieselbe Katze, die mich mutig anmotzt, morgens aus dem Bett holt und protestiert, wenn sie etwas stört.

Ihr Vertrauen in mich ist immer noch blind. Sie klettert ungebeten auf meinen Bauch. Jeden Abend geht sie gegen Mitternacht ins Bett und kommt mich notfalls holen. Wenn ich dann meinen Arm ausstrecke legt sie sich auf meinen Daumen und kuschelt sich an. Und als ich übelst krank war, wachte ich nachts auf und fand sie direkt in meine Achsel eingerollt wieder.

Auch wenn ich ihr nicht jeden Wunsch erfülle: Ich habe bei ihr gelernt, nicht zu dressieren. Sondern zuzulassen. Mit Geduld und Zeit. Ohne anvisiertes Ziel. Wer eine Katze hat, weiß, dass er bestenfalls Teile ihres Verhaltens, nicht aber ihr Wesen verändern kann. Das ist inzwischen zu einer Überzeugung von mir geworden, die schon meinen privaten Alltag prägt. Genauso arbeite ich in meiner Firmvorbereitung. Und ich entdecke vieles auch in meiner Fortbildung zu personenzentrierter Gesprächsführung wieder.

Katzen sind keine Menschen. Aber Wilma bringt mir bei, wie man vorsichtig ist. Angebote macht, ohne Erfolgsgarantie. Offen bleibt, statt Ratschläge zu geben. Frei macht, statt abhängig.

Foto: Tobias Kölling

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