Schienengedanken

Ich reise im Jahr schon ein paar Kilometer mit dem Zug runter. Zur Uni nach Frankfurt, zu Konferenzen nach Freiburg oder Münster, zum WDR nach Köln und privat zu vielen Leuten in ganz Deutschland. Da kommt schon einiges zusammen. Manch einer hat mich schon den Reisepfarrer genannt und ich habe auch daran gedacht einmal ICE-Seelsorge anzubieten ;-)

Wenn ich dann so durch unsere Republik fliege, schaue ich mir die Landschaft an oder lese, schaue Serien, träume. Gestern stand ich aber auf Schienen – ohne es direkt zu merken – und sie haben mir den Atem geraubt. Ich war in Dachau bzw. in der Gedenkstätte des ehemaligen KZs in Dachau und machte eine Führung mit. Wir stoppten an einer verkommenen Betonrampe und da stand ich auf ihnen. Schienen, die gute 100 Jahre alt sind und mich in einen Haufen von Gedanken warfen. Emma, unsere Guide über das Gelände, erzählte eine spannende Geschichte über diese wenigen Meter Stahl auf denen ich da stand. Von der Rüstungsindustrie des ersten Weltkrieges und den Abtransporten der Kommunisten, Juden, Verbrecher, den Abweichlern und allen anderen Verachteten dieser Zeit.

Wie viele Menschen sind hier wohl „entladen“ worden – tot und lebendig?

Wie viele Menschen hatten das Glück diese Gleise wiederzusehen nach der Befreiung aus dem KZ?

Wie viele Menschen sind umgekommen durch die Waffen, die von hier an die Gefechtsorte des ersten Weltkrieges wegtransportiert worden sind? (By the way: Dachau war im ersten Weltkrieg eine Hochburg der Waffenproduktion für die deutsche Armee.)

Wie viel Asche von verbrannten Menschen ist über diese Schienen geweht worden?

Wie gehen wir heute mit den Menschen um, die seit einem Jahr zu uns über Schienen flüchten?

Wie viele Güter und wie viel Rüstungsindustrie verschicken wir heute noch über Schienen?

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