Schie­nen­ge­dan­ken

von Matthias Fritz

Schie­nen­ge­dan­ken

von Matthias Fritz

Ich rei­se im Jahr schon ein paar Kilo­me­ter mit dem Zug run­ter. Zur Uni nach Frank­furt, zu Kon­fe­ren­zen nach Frei­burg oder Müns­ter, zum WDR nach Köln und pri­vat zu vie­len Leu­ten in ganz Deutsch­land. Da kommt schon eini­ges zusam­men. Manch einer hat mich schon den Rei­se­pfar­rer genannt und ich habe auch dar­an gedacht ein­mal ICE-Seel­sor­ge anzu­bie­ten ;-)

Wenn ich dann so durch unse­re Repu­blik flie­ge, schaue ich mir die Land­schaft an oder lese, schaue Seri­en, träu­me. Ges­tern stand ich aber auf Schie­nen – ohne es direkt zu mer­ken – und sie haben mir den Atem geraubt. Ich war in Dach­au bzw. in der Gedenk­stät­te des ehe­ma­li­gen KZs in Dach­au und mach­te eine Füh­rung mit. Wir stopp­ten an einer ver­kom­me­nen Beton­ram­pe und da stand ich auf ihnen. Schie­nen, die gute 100 Jah­re alt sind und mich in einen Hau­fen von Gedan­ken war­fen. Emma, unse­re Gui­de über das Gelän­de, erzähl­te eine span­nen­de Geschich­te über die­se weni­gen Meter Stahl auf denen ich da stand. Von der Rüs­tungs­in­dus­trie des ers­ten Welt­krie­ges und den Abtrans­por­ten der Kom­mu­nis­ten, Juden, Ver­bre­cher, den Abweich­lern und allen ande­ren Ver­ach­te­ten die­ser Zeit.

Wie vie­le Men­schen sind hier wohl „ent­la­den“ wor­den – tot und leben­dig?

Wie vie­le Men­schen hat­ten das Glück die­se Glei­se wie­der­zu­se­hen nach der Befrei­ung aus dem KZ?

Wie vie­le Men­schen sind umge­kom­men durch die Waf­fen, die von hier an die Gefechtsor­te des ers­ten Welt­krie­ges weg­trans­por­tiert wor­den sind? (By the way: Dach­au war im ers­ten Welt­krieg eine Hoch­burg der Waf­fen­pro­duk­ti­on für die deut­sche Armee.)

Wie viel Asche von ver­brann­ten Men­schen ist über die­se Schie­nen geweht wor­den?

Wie gehen wir heu­te mit den Men­schen um, die seit einem Jahr zu uns über Schie­nen flüch­ten?

Wie vie­le Güter und wie viel Rüs­tungs­in­dus­trie ver­schi­cken wir heu­te noch über Schie­nen?