Osterpredigt

Meine Osterpredigt habe ich in diesem Jahr nicht gehört – die habe ich gelesen. Nadia Bolz-Weber, evangelisch-lutherische Pastorin in Denver (USA), hat ein beeindruckendes Buch über ihre Arbeit geschrieben: „Ich finde Gott in den Dingen, die mich wütend machen.“ Und dort erzählt sie von ihrer Osterpredigt unter „Ausgestoßenen“, für die sie eine Kirche gegründet hat:

„Jesus sah an Ostern nicht sehr beeindruckend aus“, sagte ich, „jedenfalls nicht im kirchlichen Sinne. Das merken wir schon daran, dass Maria aus Magdala ihn für einen Gärtner hielt.“

Ich schaute die zitternde Menschenmenge an und fügte hinzu, vielleicht hätte Maria den auferstandenen Christus deshalb für den Gärtner gehalten, weil Jesus noch die Erde aus seinem eigenen Grab unter den Fingernägeln hatte. Auf den Kirchenbildern des auferstandenen Christus ist natürlich nie Dreck unter den Fingernägeln zu sehen. Dort sieht er eher aus wie ein Engel ohne Flügel als wie ein Gärtner. Es ist, als hätte man ihn für die Ostergäste erst einmal herausputzen müssen, damit er mehr Eindruck macht und niemand an der Wahrheit Anstoß nehmen muss. Doch das führt am Ende nur dazu, dass wir uns eine verdrehte Vorstellung davon machen, wie Auferstehung aussieht. Meine Erfahrung dagegen ist, dass der Gott von Ostern ein Gott mit Dreck unter den Fingernägeln ist.

Auferstehung fühlt sich nie so an, als würde man hübsch sauber und fromm herausgeputzt wie auf jenen Osterbildern. Ich wäre nie bereit gewesen, für Gott zu arbeiten, wenn ich geglaubt hätte, Gott wäre daran interessiert, mich nett oder hübsch oder auch nur gut zu machen. Schon damals hatte ich unbewusst begriffen, dass es Gott nie darum ging, mich schick herauszuputzen. Er wollte mich neu machen.

Neu sieht nicht immer perfekt aus. Neu ist oft chaotisch, wie die Ostergeschichte selbst. Neu sieht aus wie Alkoholiker auf Entzug. Neu sieht aus wie Versöhnung zwischen Familienmitglieder, die es eigentlich nicht verdienen. Neu sieht aus wie jedes Mal, wenn ich es schaffe zuzugeben, dass ich mich irre, und jedes Mal, wenn ich es schaffe, nicht zu erwähnen, dass ich recht habe. Neu sieht aus wie jeder Neuanfang und jeder Akt der Vergebung und jeder Moment, indem wir etwas loslassen, wovon wir glaubten, nicht ohne es leben zu können, und dann doch irgendwie ohne es leben. Neu ist das, was wir nie kommen sahen – was wir uns nicht einmal erhofft haben -, was sich aber dann doch als genau das entpuppt, was wir schon immer brauchten.

„Das passiert uns allen“, schloss ich an jenem Ostermorgen. „Gott greift immer wieder hinunter in den Dreck des Menschseins und lässt uns auferstehen aus den Gräbern, die wir uns selbst durch unsere Gewalttätigkeit, unsere Lügen, unsere Selbstsucht, unsere Arroganz und unsere Süchte gegraben haben. Und immer wieder liebt Gott uns zurück ins Leben.“

(Nadia Bolz-Weber, „Ich finde Gott in den Dingen, die mich wütend machen“. Pastorin der Ausgestoßenen, Moers 2015, 218f.)

In diesem Sinne allen Leser*innen von raumrauschen.de frohe und gesegnete Ostern und „mach uns neu, Gott!“

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