Novem­ber-Tage

von Mareile Mevihsen

Novem­ber-Tage

von Mareile Mevihsen

Novem­ber-Tage sind Toten-Tage. Gedenk­ta­ge fol­gen ein­an­der, die Bäu­me sind kahl, die Tage kurz. Manch­mal wird’s gar nicht rich­tig hell. Novem­ber-Tage sind reg­ne­risch, voll mit Grab­ker­zen und geschmack­lo­sen Geste­cken, zumin­dest gedank­lich.

Ich kann sie sehen, die Toten. Manch­mal, wenn ich im Ort unter­wegs bin, dann begeg­nen sie mir. Dann erin­nern mich Sil­hou­et­ten von rea­len Men­schen an die, die längst nicht mehr sind. Mein Onkel, denn ich sehr gern hat­te. Die Eltern mei­ner ältes­ten Freun­din, die auch für mich wie Eltern waren. Aber auch ent­fern­te­re Bekann­te. Der Orga­nist, bei dem ich Kla­vier­stun­den hat­te. Unser Pfar­rer, der mich mein gan­zes Kin­der- und Jugend­le­ben beglei­tet hat. Der Bil­dungs­re­fe­rent, der mir bei den Pfad­fin­dern ein Men­tor war. Ich schwö­re, ich sehe sie und dann wird mir bewusst, dass sie längst tot sind und manch­mal tut das dann noch­mal weh.

Manch­mal träu­me ich von Din­gen, die mir abhan­den gekom­men sind. Nicht von den Toten, son­dern von den Leben­den. Von dem, was mich aus­bren­nen ließ, aber das immer noch glimmt im Inne­ren. Von den Men­schen, die mein Herz berühr­ten und die ich ver­lor.

Es gibt Wun­den und Ver­lus­te, die hei­len nicht. Die las­sen uns immer wie­der ein Stück unvoll­stän­dig in uns sel­ber sein, glau­be ich. Wenn jemand oder etwas von uns stirbt, viel­leicht fra­gen wir uns manch­mal, wie wir leben sol­len mit dem Schmerz und wann er ver­geht. Und dann ist viel­leicht die ehr­li­che Ant­wort, dass es Din­ge gibt, die nie­mals hei­len, die immer weh­tun wer­den. Und dass der Tag kommt, an dem wir ler­nen wer­den, damit zu leben.

Viel­leicht auch, weil da einer ist, der alle Trä­nen trock­net und sagt „Sie­he, ich mache alles neu“ (Offb.21, 1 – 7). Auch an Novem­ber-Tagen.