Mein Soundtrack im Advent

Früher war ich in Sachen Musik im Advent, wenn ich sie selber beeinflussen konnte, total puristisch. Da durfte in keinem Lied schon von Weihnachten die Rede sein, und wehe, dass Kind wurde darin schon geboren. Das ging gar nicht. Die vier Wochen Vorfreude und Staunen, dass Gott Mensch wird, hatten ganz klar ihre eigenen Lieder. Von „Macht hoch die Tür“ über „Kündet allen in der Not“ bis zum lateinischen „Rorate Cali“. Und amerikanische Weihnachtskitschlieder gingen zu keiner Zeit, auch nicht an oder nach Weihnachten: Die hatten schließlich nur was mit dem Drumrum zutun und nichts mit dem Weihnachtsgeschehen selber. Ziemlich einfache, klare Sache.

Damals hätte ich nicht gedacht, dass sich meine Musikvorliebe im Advent einmal ändern würde. Hat sie aber, und zwar um 180 Grad. Klar: Die genannten Adventslieder blieben auf der Lieblingsplaylist. Soviel Treue muss sein. Aber, zu meiner eigenen großen Überraschung, wurde ich ein großer Fan fast des gesamten musikalischen amerikanischen Weihnachtszirkus’. Und zwar passierte das, als ich einmal in Sambia, im Süden von Zentralafrika, Weihnachten feiern durfte. Einerseits wurde in vielen Momenten deutlich, dass die Weihnachtsbotschaft was mit dem Leben der teilweise sehr armen Menschen zutun hatte. Und dass Konsum keine große Rolle spielte, die Weihnachtsgottesdienste um so mehr. Was Lieder und Deko anging, fuhren die Leute aber gleichzeitig total auf den amerikanischen Weihnachtskitsch ab. Plastikweihnachtsbäume mit Lametta und Lichtern in allen Farben, und „Rudolph, the red nosed Reindeer” und seine Freunde tönten aus vielen Lautsprechern der Gegend. Ein persönliches Highlight war eine Fahrt am Tag vor Heiligabend mit einem PickUp in ein kleines Dorf, in dem viele Witwen wohnten, die sehr wenig zum Leben hatten. Dorthin brachte der Pfarrer einige Säcke Maismehl für das Grundnahrungsmittel. Und während der Fahrt hörten wir neben den üblichen amerikanischen Klassikern bei ziemlich brüllender Hitze auch „Suzy Snowflake“, das mich gleich doppelt amüsierte. Und plötzlich entwickelte diese Mischung für mich sogar richtig Charme, zumal bei dreißig Grad im Schatten ohne Schatten: Die Weihnachtsbotschaft inhaltlich zu erleben und zu feiern UND „Holy Night“ und „White Christmas“ im Advent hören.
Seitdem lieb ich all diese Lieder. Und nicht nur, weil sie mich an Sambia erinnern. Ich hab gelernt, dass Musik nicht 1:1 inhaltlich passen muss, um trotzdem ein Soundtrack sein zu können, der für einen persönlich stimmt.

Der diesjährige Advent ist nun nach Jahren der erste, wo ich, wenn ich die Musik selber bestimmen kann, weder die klassischen Adventslieder noch das inzwischen ja auch schon klassische nichtreligiöse Weihnachtsrepertoire hören mag. An beidem hab ich mich übersatt gehört. Ich hab häufiger keine Musik an, oder suche nach Liedern, die für mich was mit der Wartezeit auf Weihnachten zutun haben, ohne das direkt zu thematisieren. Da tauchen dann unter anderem alte Songs wie „I Still Haven’t Found, What I’m Looking For“ von U2 auf, für die Sehnsucht, die bei allem Glück dieser Erde ein Stück offen bleibt. Und, noch älter und sehr passend: „Money Can’t Buy Me Love“ von den Beatles.

Mal sehen, wo mich mein Advents-Soundtrack noch hinführen wird. Jedenfalls immer auch in Richtung des unerhörten Festes am Ende dieser vier Wochen: Gott wird Mensch und offenbart sich in einem Kind in sehr einfachen Verhältnissen.

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