Komm und Sieh

von Matthias Fritz

Komm und Sieh

von Matthias Fritz

Ich habe mal wie­der mein gan­zes Leben in Kar­tons ver­packt: Umzugs­kar­tons. Denn ich zie­he wie­der ein­mal um. 13 Mal habe ich das schon in mei­nem Leben getan, mal über Ozea­ne hin­weg, über Lan­des­gren­zen oder auch ein­fach nur einen Stadt­teil wei­ter.

Als ich davon ges­tern einer ehe­ma­li­gen Kol­le­gin aus mei­ner Kaplan­stel­le erzähl­te, sag­te sie zuerst erfreut: Dann steht ja bald eine Ein­zugs­par­ty an. Aber sofort kor­ri­gier­te sie sich und stell­te fest: Ach nein, bei Dir ja nicht. Du hast aus Dei­ner Woh­nung immer ein Geheim­nis gemacht.
Und das stimmt! In den sechs Jah­ren, in denen die­se Kol­le­gin mich in der Pfar­rei erlebt hat, habe ich nur sehr sehr weni­ge Men­schen in mei­ne vier Wän­de hin­ein­ge­las­sen. Heu­te Nacht habe ich lan­ge dar­über nach­ge­dacht, war­um es so war. Die ers­ten Jah­re im Dienst als Pries­ter waren für mich sehr anstren­gend. Ich woll­te mich per­sön­lich ein­set­zen. Immer mit „Ich-Aus­sa­gen“ pre­di­gen, immer auch von mir berich­ten aus mei­nem Leben und von mei­nem Glau­ben, immer offen sein, immer ver­ste­hen und mit­füh­len wol­len. Aber mei­ne Woh­nung war tabu, mein Rück­zugs­ort. Wenn ich da die Tür zuge­macht habe, dann war ich auch manch­mal end­lich für mich allein. Das war ein ziem­li­cher Spa­gat in die­sen Jah­ren.
Die Kol­le­gin hat recht. Ich habe mei­ne Woh­nung für fast nie­man­den geöff­net und auch für man­che aus der Pfar­rei war es ein „net­tes Spiel“ mehr über die­se Woh­nung zu erfah­ren.

Die Situa­ti­on mit der Kol­le­gin von ges­tern trifft mich, weil ich mich gera­de mit einer Bibel­stel­le beschäf­ti­ge, in der es gera­de dar­um geht jemand in sei­ne vier „Wän­de“, in sein Leben her­ein­zu­las­sen und dabei nicht abzu­blo­cken.

Jesus woll­te nach Gali­läa auf­bre­chen; da traf er Phil­ip­pus. Und Jesus sag­te zu ihm: Fol­ge mir nach! Phil­ip­pus war aus Bet­sai­da, dem Hei­mat­ort des Andre­as und Petrus. Phil­ip­pus traf Natanaël und sag­te zu ihm: Wir haben den gefun­den, über den Mose im Gesetz und auch die Pro­phe­ten geschrie­ben haben: Jesus aus Naza­ret, den Sohn Josefs. Da sag­te Natanaël zu ihm: Aus Naza­ret? Kann von dort etwas Gutes kom­men? Phil­ip­pus ant­wor­te­te: Komm und sieh!

Joh 1,43 – 46

Jesus öff­net dem Phil­ip­pus sein Leben, damit die­ser ihm folgt. Damit die­ser mit­kommt und sieht wie die­ser Jesus ist, wie Gott ist. Vor allem aber auch, damit jemand sehen kann, dass in die­sem Jesus Gutes steckt und sei­ne Bot­schaft gut ist. Und davon ist Phil­ip­pus so erfüllt, dass er Natana­el ein­lädt auch mit­zu­kom­men. Damit die­ser sei­ne Vor­ur­tei­le abbaut.

Das ist für mich ein star­kes Bild. Da wird Leben geteilt, weil einer sein Leben den ande­ren eröff­net und kei­ne Scheu hat, sich ihnen zu zei­gen. Das löst etwas aus – eine Ket­ten­re­ak­ti­on geschieht. Und ich bin ganz anders. Ich fra­ge mich was mei­ne Woh­nung für eine Bot­schaft von mei­nem Leben spricht und sie tut es in einer unglaub­li­chen Fül­le. Davon bin ich über­zeugt. Habe ich aber Angst davor? Davor, was die Men­schen dann den­ken mögen. Oder will ich doch ein­fach nur „mein Reich“ haben?

„Komm und sieh“ ist mir gera­de zur Her­aus­for­de­rung gewor­den. Wie weit gebe ich Men­schen als Pries­ter Ein­blick in mein Leben und mei­nen Glau­ben? Wo ist da die Gren­ze erreicht und darf es die über­haupt geben? Und ja, ich zweif­le sel­ber dar­an, dass es die Ein­wei­hungs­par­ty geben wird!

Foto: com­pli­ze / photocase.de