Just in time

Was ich in diesen Tagen vermisse, sind gemeinsame Mahlzeiten mit Freunden und Kaffeepausen mit Kolleginnen.

Was fehlt mir, wenn das fehlt? Essen und reden (zumindest in der Hausgemeinschaft, und mit anderen fernmündlich oder digital) kann ich doch auch zu Coronazeiten. Es muss die Mischung aus beidem sein: Essen beim Austausch und auch Austausch beim Essen – und darüber hinaus. Im Spanischen gibt es für den gemeinsamen Ausklang nach dem Essen ein eigenes Wort: la sobremesa.

Ganz anders in Kolumbien. Je schneller der Gastgeber/die Bedienung das abgegessene Geschirr wegräumt desto höflicher. Unvergessen die Slapstick-Situation bei meinem ersten Kolumbienbesuch, als einer von uns mit dem Ober um die leere Kaffeetasse kämpfte, weil er eine zweite Füllung wollte – auch das dort eher unüblich. Was ich daraus gelernt habe: Die Geschmäcker, Verhaltensmuster und Timings sind verschieden und der eigene Maßstab ist nicht immer das Maß aller Dinge.

Auch bei meinem jüngsten Kolumbien-Aufenthalt, der letzte Woche mit einer Hotelquarantäne endete, habe ich das unterschiedliche Timing zu spüren bekommen. Obwohl es bis dahin kaum Infektionsfälle im Land gab, verschärfte die kolumbianische Regierung von Tag zu Tag die Maßnahmen. Dagegen kam uns bei Rückkehr nach Deutschland das Vorgehen hier fast fahrlässig langsam vor.

Jetzt tun (oder lassen), was dran ist und was geht. Das war die Devise eines Mannes, der sich den Namen mit einem Aachener Zirkus teilt. Angelo Giuseppe Roncalli hat als Papst Johannes XXIII. dafür ein eigenes Wort erfunden: aggiornamento – Verheutigung. Ob bei Tisch oder bei Corona: Auf andere achten und tun, was dran ist, hilft mir (und anderen) weiter.

Thomas Hoogen

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