Ich bin nicht schuld dar­an!

von Matthias Fritz

Ich bin nicht schuld dar­an!

von Matthias Fritz

Ich rei­se nicht zum ers­ten Mal nach Isra­el und bis­her sind alle Rei­sen auch gut ver­lau­fen. Aber dies­mal wage ich was Neu­es. Wir wan­dern quer durchs Land mit einer klei­nen Grup­pe. Die­se Rei­se begann aber schon anders. Der Anflug auf Tel Aviv ist sonst sehr schön über das Mit­tel­meer. Blau­er Him­mel, blau­es Was­ser und Son­ne. Dies­mal nicht! Es war duns­tig, san­dig, feucht. Der Emp­fang am Flug­ha­fen mehr als unfreund­lich und der Beam­te für die Visas hat­te nichts Bes­se­res zu tun als auf der Ver­gan­gen­heit mei­ner Fami­lie her­um­zu­ha­cken: Wie hie­ßen Ihr Groß­va­ter und Urgroß­va­ter und waren das Nazis? Nicht nur, dass mir der Name mei­nes Urgroß­va­ters nicht ein­fiel – ich habe damals nicht gelebt und hat­te auch nie die Chan­ce mit Ihnen bei­den dar­über zu spre­chen. Inner­lich fiel mir ein böses Wort mit „A“ ein, aber ich woll­te ger­ne ins Land – ein „I don’t know. I wasn’t born then.” muss­te rei­chen und tat es auch. „Herz­li­chen Will­kom­men in Isra­el“ klingt für mich anders. Er hat­te mich hef­tig falsch erwischt. Mit dem fal­schen Fuß ins Land …

Auf der Fahrt vom Flug­ha­fen zur ers­ten Unter­kunft in Naza­reth kamen dann vie­le ande­re Bil­der hoch. Der Kampf zwi­schen den Israe­lis und Paläs­ti­nen­sern, die Kriegs­bil­der, der Jah­res­tag von Ausch­witz. Und eine oft ver­dräng­te Fra­ge wur­de wie­der wach. Wor­an bin ich in dem gan­zen Mist schul­dig? Mein Geld geht hier die nächs­ten Tagen mit ins Mili­tär und ich set­ze ein Zei­chen für den Staat Isra­el. Dabei soll es doch nur Urlaub sein, eine Rei­se. Ich fan­ge hier kei­ne offe­ne Dis­kus­si­on im Land über die gro­ßen Unter­schie­de im Leben der ein­zel­nen Men­schen an – das ist schon zuhau­se mei­ne Auf­ga­be und da bekom­men wir es auch nicht gere­gelt.

Lei­der ende­te der ers­te Tag nicht so beson­ders. Ich ging mit dem Gefühl ins Bett, dass ich sel­ber so ein mie­ses Arsch bin und dass die­ses Land und unser eige­nes ganz bestimmt nichts „Hei­li­ges“ an sich haben. Von wegen „Hei­li­ges Land“.

Manch­mal wün­sche ich mir, ich könn­te mei­ne, unse­re Ver­gan­gen­heit los­wer­den. War­um sind wir nur so ver­dammt nach­tra­gend? So anders als wir doch eigent­lich sein könn­ten? So bru­tal? Ich will dar­an doch nicht sel­ber schuld sein!