Hori­zont und…

von Jonas Zechner

Hori­zont und…

von Jonas Zechner

Seit ich den­ken kann, ist das Meer mein Sehn­suchts­ort. Ich erin­ne­re mich an unbe­schwer­te Som­mer­ta­ge am Atlan­tik – das Rau­schen der Wel­len, das Sam­meln von Muscheln, ein leich­tes, gutes Leben.

Auch mein Namens­ge­ber Jona — ein eigen­sin­ni­ger Kopf – ist untrenn­bar mit dem Meer ver­bun­den. Die­ser ande­re Jonas erhält von G:tt einen Job, den er ver­ab­scheut. Im Pro­test besteigt er ein Schiff, um zu ent­kom­men. Doch das Meer, unge­stüm und unbe­re­chen­bar, hat ande­re Plä­ne: Ein toben­der Sturm, ein ver­häng­nis­vol­ler Bei­nah-Schiff­bruch – und plötz­lich fin­det sich Jona im dunk­len Magen eines gigan­ti­schen Fisches wie­der. Drei Tage lang Tief­see, bis er wie­der am Strand aus­ge­spuckt wird und gezwun­gen ist, sei­nem Schick­sal zu fol­gen.

Mein letz­ter Urlaub führt mich nach Nord­frank­reich, wo ich fri­sche See­luft atme und end­lich mei­nen hart­nä­cki­gen Hus­ten los­wer­den woll­te. Beim Wan­dern auf dem euro­päi­sche Fern­wan­der­weg E9 ent­lang stei­ler Küs­ten erha­sche ich von wei­tem den Blick auf die majes­tä­ti­schen Krei­de­fel­sen von Dover – umrahmt von abge­rutsch­ten Bun­ker­an­la­gen und schie­be den mul­mi­gen Gedan­ken „Hof­fent­lich nie wie­der!“ has­tig zur Sei­te.

An ver­reg­ne­ten Tagen kreu­zen Poli­zei­wa­gen und Hub­schrau­ber mei­nen Weg auf den Küs­ten­pfa­den. Ich wer­de freundlich,aber bestimmt nach mei­ner Her­kunft und mei­ner Inten­ti­on in Frank­reich befragt. Kurz vor der Abrei­se bemer­ke ich dann bei dem Gang durch den Küs­ten­wald Men­schen, die sich im Dickicht ver­ste­cken und dort Feu­er machen um sich irgend­wie zu wär­men. Bevor sie — in der Hoff­nung durch­zu­kom­men — zeit­lich ver­setzt in klei­nen Grup­pen aus dem Wald Rich­tung Meer ver­schwin­den.

Was bleibt ist ein Gefühl der Beklem­mung.
Sur­re­al und doch real.
Urlaub am Meer — unbe­schwer­tes, bes­tes Leben.
Flucht übers Meer — Hoff­nung auf (bes­se­res) Leben.

Und da ist auch das Bedürf­nis weg­lau­fen zu wol­len.
In die Sicher­heit.
Zu dem Gefühl unbe­schwer­ter Som­mer­ta­ge am Atlan­tik.

Wo ist der gro­ße Fisch, der mich mit­nimmt?
Wie lan­ge darf, muss ich abtau­chen?

Und wann muss auch ich — und wie? — aktiv wer­den?

…Meer

Man­che Tex­te sind been­det, aber es bleibt doch noch etwas offen. Etwas, dass zwar da ist, jedoch nicht ins Wort fin­den will. Wenn Du, liebe_r Lesende_r, die­ses Mehr fül­len willst, fol­ge mir noch ein­mal in den Magen des gigan­ti­schen Fisches am Grund des Mee­res. Und höre mit mir zusam­men auf dass, was mein Namens­ge­ber Jona in die Dun­kel­heit hin­ein ruft:

Aus dem Leib der Unter­welt schrie ich um Hil­fe und du hör­test mei­ne Stim­me. 
Du hast mich in die Tie­fe gewor­fen, in das Herz der Mee­re; mich umschlos­sen die Flu­ten, all dei­ne Wel­len und Wogen schlu­gen über mir zusam­men. (…)

Das Was­ser reich­te mir bis an die Keh­le, die Urflut umschloss mich; Schilf­gras umschlang mei­nen Kopf. Bis zu den Wur­zeln der Ber­ge bin ich hin­ab­ge­stie­gen in das Land, des­sen Rie­gel hin­ter mir geschlos­sen waren auf ewig.

Doch du hol­test mich leben­dig aus dem Grab her­auf, / G:TT, mein G:tt. (…)
Von G:TT kommt die Ret­tung.

Da befahl G:TT dem Fisch und die­ser spie den Jona an Land.”.

Foto: Jonas Zech­ner