Hei­li­ge Eltern

von Raphael Schlecht

Hei­li­ge Eltern

von Raphael Schlecht

Mein Sohn Theo und ich hän­gen häu­fi­ger in Kir­chen ab. Ich bin näm­lich gera­de in Eltern­zeit. Und wenn wir län­ge­re Zeit in der Stadt unter­wegs sind, ist das immer eine will­kom­me­ne Zwi­schen­sta­ti­on. Dort ist es ruhig, meis­tens auch warm und man muss nicht zwang­haft einen Kaf­fee bestel­len – man darf ein­fach da sein. Ich habe den Klei­nen sogar schon auf einer Kir­chen­bank gewi­ckelt, aber die meis­te Zeit über schläft er. Wenn er dann auf­wacht, machen wir einen klei­nen Rund­gang und ich erklä­re ihm den Kir­chen­raum.

Dabei tref­fen wir meis­tens auch auf eine Mari­en­fi­gur mit Jesus­kind im Arm. Für mich ist das jedes Mal ein beson­de­rer Moment, wenn ich mit mei­nem Sohn auf dem Arm der Got­tes­mut­ter und ihrem Sohn gegen­über­ste­he. Ich spü­re dann einer­seits Ver­bun­den­heit. So von Eltern­teil zu Eltern­teil wür­de ich ger­ne fra­gen, wie denn die Näch­te zur­zeit sind und ob es mit der Bei­kost klappt?

Ande­rer­seits hat die Sze­ne für mich auch etwas Pro­vo­zie­ren­des: In all den Baby-Ange­bo­ten, die ich seit Beginn mei­ner Eltern­zeit mit Theo besu­che, bin ich meis­tens der ein­zi­ge Papa. Ich bin ger­ne dort und natür­lich bekom­me ich dafür auch unge­rech­ter­wei­se mehr gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung als die ande­ren Müt­ter. Trotz­dem fehlt mir der Aus­tausch unter Vätern — die Müt­ter in mei­nen Kur­sen tau­schen sich stän­dig aus. In der Kir­che tre­te ich dar­um jedes Mal auch ein wenig trot­zig vor die­se hei­li­ge Urmut­ter — wie um ihr zu sagen: „Schau her, als Papa kann ich das auch! … zumin­dest ver­such ich es…“ Sie schaut dann immer unbe­ein­druckt zurück.

Neu­lich waren der Klei­ne und ich wie­der in der Kir­che in unse­rem Vier­tel. Den Mari­en­al­tar hat­ten wir schon hin­ter uns gelas­sen, da ent­deck­te ich ihn: den hei­li­gen Josef — mit Jesus­kind auf dem Arm. Sein Andachts­bild stand ein wenig ver­steckt in einer Nische und es brann­ten dort auch nicht so vie­le Ker­zen wie bei sei­ner Frau. Ich zün­de­te eine an und ver­weil­te ein wenig. Schein­bar war ich die letz­ten Male an ihm vor­bei­ge­lau­fen. Er blick­te müde drein, wie nach einer schlaf­lo­sen Nacht und ansons­ten hielt er eben das Kind im Arm. Er mach­te ein­fach sei­nen Job als Vater und mach­te dar­um schein­bar auch kein gro­ßes Auf­se­hen. Wie über­haupt in der kirch­li­chen Tra­di­ti­on kein gro­ßes Auf­se­hen um den hei­li­gen Joseph gemacht wird. Und das obwohl ihm in den bibli­schen Geschich­ten eine wich­ti­ge Rol­le zukommt, die er auch gut aus­füllt: Er über­nimmt Ver­ant­wor­tung für ein Kind, das nicht ein­mal sein eige­nes zu sein scheint. Und auf sei­ne Träu­me hin gelingt der klei­nen Fami­lie die Flucht nach Ägyp­ten.

Neben den Ker­zen waren Andachts­kar­ten des Hei­li­gen aus­ge­legt. Eine davon hat nun ihren fes­ten Platz in mei­nem Geld­beu­tel. Dem müden Mann dar­auf füh­le ich mich ver­bun­den und er erin­nert mich dar­an, dass ich als Vater kei­ne Mut­ter sein muss. Josef ist nicht Maria; er spielt eine eige­ne wich­ti­ge Rol­le im Leben sei­nes Kin­des. Und in die muss­te auch er sicher erst ein­mal hin­ein­wach­sen.

Foto: Juan Car­los Leva/pexels