Fearless Girl

Türelüre Lißje

Jeden Morgen komme ich auf meinem Weg ins Büro an einem Brunnen vorbei. Und jedes Mal habe ich ein richtig ungutes Gefühl im Bauch. Der Brunnen steht direkt neben der Bistumsverwaltung und heißt Türelüre-Lieschen-Brunnen.

Der Brunnen zeigt eine Szene eines gleichnamigen alten Aachener Kinderliedes in der ein Mädchen, das Türelüre-Lißje, von Jungen aufgehalten und so langegehindert wird, eine Toilette aufzusuchen, bis es dafür zu spät ist. Die Jungen versperren den Weg und tanzen um das Mädchen herum. Schließlich weiß Lißje sich nicht mehr zu helfen und muss sich im Kreis der Jungen hin hocken und sich an Ort und Stelle vor den Augen ihrer Bedränger erleichtern.

Mir ist bewusst, dass es sich bei dieser Geschichte um Aachener Traditionsgut handelt, das aus einer Zeit stammt, in der Genderfragen und Prävention so nicht gestellt und reflektiert wurden.
Ich möchte auch nicht altklug daherreden und Aachener Stadtgeschichte vorschnell disqualifizieren, aber diese Bauchgefühl, dass da etwas nicht passt, dass da etwas schief, ja falsch ist, bleibt bestehen.

Unlängst habe ich auf Twitter ein Gegenbild hierzu gefunden. Es handelt sich um eine von der amerikanischen Bildhauerin Kristen Visbal zum Weltfrauentag 2017 im Bowling Green Park in New York City aufgestellt Bronze-Statue eines Mädchens. Die Arbeit trägt den für mich sehr stimmigen Titel “Fearless Girl” (furchtloses Mädchen).

Fearless Girl

In der ursprünglichen Konzeption stellt sich das Fearless Girl dem Charging Bull entgegen, breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt. Die Figur blickt den heranstürmenden Bullen, eine Statue, die seit 1989 im Bowling Green Park an der Wall Street steht und Symbol für aggressiven, finanziellen Optimismus und Erfolg – den Bullenmarkt – geworden ist, selbstbewusst an. Dieses Bild berührt mich sehr postiv und drückt ein Selbstbewusstsein und eine Stärke aus, die mich inspiriert und an ein altes Lied erinnert, dass Maria im Lukasevangelium singt:

“Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.”

Die einzige Autorität, die Maria gelten lässt, ist Gott! – Ein Gott, der befreien und nicht unterdrücken will.

Ich finde, es müsste viel mehr Brunnen und Denkmäler geben, die solche Geschichten erzählen. Nicht nur in New York, sondern auch hier in Aachen, direkt vor meinem Büro.

Fotos: steven gomez/Pexels, Jonas Zechner, Hyunwon Jang/Unsplash

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