Der Sin­gle-Weih­nachts­baum

von Matthias Fritz

Der Sin­gle-Weih­nachts­baum

von Matthias Fritz

Und wie­der ste­he ich vor einer schwer­wie­gen­den Fra­ge: Gibt es die­ses Jahr einen Tan­nen­baum oder nicht?

Klar gehört der Tan­nen­baum auch zu mei­nen kind­li­chen Erin­ne­run­gen an Weih­nach­ten. Es gab immer eine lan­ge Suche nach dem „per­fek­ten“ Baum. Der Baum soll­te gut aus­se­hen, hoch und gera­de gewach­sen sein, die Äste und Nadeln mög­lichst dicht, er soll­te die genaue Grö­ße haben (die Spit­ze abzu­schnei­den geht gar nicht, war aber manch­mal nötig) und er soll­te mög­lichst lan­ge hal­ten. Manch­mal ufer­te die­se Suche aus und führ­te dann auch zu Fami­li­en­kri­sen. Dann kam die nächs­te Epi­so­de: Wie bekommt man den Baum mög­lichst gera­de in sei­nen Stän­der? Er wur­de gedreht, ange­sägt, ver­scho­ben… Bis irgend­wann die Erkennt­nis kam, dass wir ihn ein­fach ein­mal schmü­cken soll­ten. Dann wür­den wir schon sehen, was wir noch ver­än­dern müs­sen. Aber wir waren selbst mit dem Schmü­cken noch nicht am Ende des Dra­mas ange­kom­men. Denn die kom­men­den Tage hin­durch wur­den immer wie­der Lücken im Schmuck ent­deckt, die sofort gefüllt wer­den muss­ten. Der Tan­nen­baum wur­de zum akti­ven Kunst­werk.

Wenn ich so zurück­schaue, dann klingt das alles sur­re­al, sogar lus­tig. Es führ­te aber auch zu man­chem Streit und auch zu Dra­men in unse­rer Fami­lie. Und den­noch, irgend­wann kam zum Glück auch der Moment wenn alle sagen konn­ten: Der ist aber wirk­lich schön! Dann war „hei­li­ger Abend“!

Als Fami­lie hat­te dies schon fast Tra­di­ti­on, es war sozu­sa­gen ein Teil der direk­ten Vor­be­rei­tung auf Weih­nach­ten. Aber als Sin­gle, so ganz allein, lohnt sich da ein Baum? In mei­nem Kel­ler ste­hen meh­re­re Kis­ten mit geerb­ten Kugeln, Lich­ter­ket­ten, Baum­stän­der usw. Aber mich allein vor den Baum zu set­zen liegt mir nicht.

In den letz­ten sechs Jah­ren mit eige­ner Woh­nung und als pries­ter­li­cher Sin­gle habe ich mir nur ein ein­zi­ges Mal einen Baum gegönnt. Das war auch nett, aber sehr viel hat­te ich nicht davon. Ich war unter­wegs, hat­te Got­tes­diens­te und war dann noch ein paar Tage im Urlaub. Und der arme Baum war ganz allein in mei­ner Woh­nung: Der Sin­gle-Weih­nachts­baum! Gleich­zei­tig traf mich der öko­lo­gi­sche Schlag: Wenn der Baum so allein zuhau­se steht, hole ich bes­ser kei­nen. Der ist doch eh nur Bio­müll, er wird öko­lo­gisch schäd­lich gezo­gen und dann kom­pos­tiert. Das unter­stüt­ze ich nicht. Außer­dem kann ich mir die Deko­zeit spa­ren und nut­ze die lie­ber für einen guten Film. Ich glau­be, dass ich die­ses Jahr wie­der kei­nen Baum auf­stel­le. Das „lohnt“ sich nicht!

Aber eine coo­le Idee habe ich dann doch noch gefun­den: In Düs­sel­dorf gibt es ein coo­les Start-Up namens „Hap­py Tree“. Hier haben zwei Typen eine Fir­ma gegrün­det, die Weih­nachts­bäu­me mit Wur­zeln ver­lei­hen, nach Weih­nach­ten wie­der abho­len, die­se bis zum nächs­ten Weih­nachts­fest wie­der ein­pflan­zen und pfle­gen und dann wie­der ver­lei­hen. Das fin­de ich ein­mal eine wirk­lich coo­le Idee! Dann wird der Weih­nachts­baum-Bio­müll ein wenig ein­ge­dämmt! Bra­vo! Wenn, dann viel­leicht so im nächs­ten Jahr!

Foto: gen­na­di+ / photocase.de