Das Schaf mit dem Lockenstab

Ich dachte, ich höre nicht richtig! Wie drehen Schafe Locken?

Eine Kollegin erzählte von einer Anekdote von Papst Franziskus. Wir scheinen uns jetzt in der Kirche für zoologische Vergleiche zu interessieren. In einem Interview hat Franziskus einen biblischen Vergleich aufgegriffen. Das tat er mit Lukas 15, 1-7:

Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.

Und er fragte: Ist es heute nicht umgekehrt? Sind nicht 99 Schafe schon weggelaufen und wir kümmern uns nur noch um das eine Schaf und drehen ihm noch fröhlich die Locken? Puh, dachte ich. Das saß! Aber es traf auch ein Gefühl in mir. Kreise nicht auch ich immer wieder um die gleiche Gruppe von Menschen und bleibe dabei brav in meinem Büro hocken? Bin ich nicht auch immer damit beschäftigt, den gleichen Schafen die Locken zu drehen, damit ich sie mir noch hübsch und passend mache? Das bringt mir Sicherheit und ich kann die Schäfchen gut einschätzen. Das Risiko etwas falsch zu machen oder persönlich zu provokant angefragt zu werden, sinkt.

Gleichzeitig fiel mir der Gedanke eines Kollegen zu genau dieser Bibelstelle ein: Ist es nicht spannender gerade dem einen Schaf hinterher zu gehen und das Besondere zu erfahren, was es in der Welt da draußen gelernt hat – auch wenn es in den Augen meiner Gemeinschaft als „verloren“ gilt? Ich kann doch an dem einen Schaf mehr über die Welt lernen als durch meinen Kirchenstall. Und wenn es auch noch 99 Schafe sind, die in der Welt unterwegs sind, dann kann ich noch einmal mehr lernen!

Ich ringe gerade mit der Frage „anonym Priester“ für die „anonymen Christen“ zu sein. Mitten unter den Menschen zu leben, wo man keine Priester vermutet, meine Freizeit noch einmal zeitlich anders zu gestalten unter Menschen und vielleicht auch einmal nicht direkt als Priester erkenntlich zu sein… Gegen was müsste ich dann den Lockenstab eintauschen?

Foto: kallejipp / photocase.de

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