Das Glück, Kind sein zu dürfen
von Markus Heib
Das Glück, Kind sein zu dürfen
von Markus Heib
Ich bin Fußballfan, seit Kindertagen ist das so und manchmal habe ich das Gefühl, dass sich dies im Alter sogar noch verstärkt… Warum? Dafür gibt es keine rationale Erklärung, sondern eine des Herzens.
Mit glänzenden Kinderaugen ging es für mich von zu Hause los, es ging zu Fuß auf den Berg. Er war nicht hoch, aber er bescherte mir immer wieder Gipfelgefühle: der Bökelberg. Fanshops, die einen komplett in Vereinstrikots oder Klamotten ausstatteten, gab es noch nicht. Dafür gab es aber ein bewusst gekauftes T‑Shirt in den Farben Schwarz-Weiß-Grün. Meine erste Fahne? Ein Bettlaken, zusammengenäht von Oma. Der Stoff kam an einen Stab, den ich als Kind unter Mühen mitschleppte und der heute am Stadioneingang als Waffe angesehen würde. Mein erster Schal? Von Oma, mit viel Liebe für ihren Enkel, gestrickt.
Ich sehe den Jungen, ich sehe mich noch so stolz zum Stadion ziehen. Pure Emotion, pure Nostalgie. Es hat sich viel getan seither. Die Erfolge wurden weniger, was mir als richtigen Fan weh tut, aber nichts an meiner Verbundenheit oder Leidenschaft für den Verein ändert. Der Bökelberg war und bleibt ein emotionaler Lebensort. Das Erleben dort eine unauslöschliche, kostbare Erinnerung.
Heute geht’s nicht mehr auf den Berg, sondern in den Borussiapark. Das Stadion zeitgemäßer, die Vermarktung perfekter. Mein Trikot und mein Schal sind heute gekauft. Manchmal frage ich mich, bei dieser Entwicklung, in der es oft leider viel zu oft um Ablösen, Gewinne und Vermarktung geht: Was machst du eigentlich noch hier? Kannst du das noch durch dein Fansein mitverantworten? Aber dann stelle ich fest: Bei allen fragwürdigen Veränderungen, eines hat sich bei mir nicht geändert: Beim Fußball bin ich tatsächlich manchmal noch das Kind mit den glänzenden Augen, das hemmungslos schreit, anfeuert, sich ärgert und über ein Tor unbändig freuen kann. Doch dazu brauche ich nicht das geschäftige Drumherum. Ich erfreue mich am Spiel, wie zu Kinderzeiten, weil ich nur das Spiel und den Ball brauche für meine Emotionen. Und so sehe ich mir auch heute noch ein Jugendspiel auf irgendeinem Sportplatz mit großer Freude an. Und ich kann bis heute keinen Ball irgendwo liegen sehen ohne das Kribbeln im Fuß. Jeder Kontakt mit dem runden Ding lässt mich Kind sein. 😊
Lange Jahre habe ich versucht, es Menschen zu erklären, wenn sie mich fragten: Warum? Ich habe es irgendwann aufgegeben. Herzenssachen muss man nicht erklären, weil das Wunderbare eben immer auch ein Stück unerklärlich bleibt. Das macht seinen Zauber aus.
Glänzende Augen, das Geheimnisvolle, Staunen und Verzauberung finde ich Gott sei Dank nicht nur im Stadion oder beim Fussballspiel(en). Immer wieder gibt es Erlebnisse, die mich zum Kind werden lassen oder die mich um Jahre jünger machen. Manchmal sind es Erinnerungen, wenn ich eine bestimmte Musik höre, manchmal sind es Momente mit meinen Kindern, meiner Familie oder mit Menschen, mit denen ich die Leichtigkeit des Momentes erleben oder sogar feiern kann. Ja, es gibt für mich diese Zeiten auch im Glauben, wenn ich für kurze Zeit das tiefe Empfinden von Gemeinschaft und seiner Nähe habe. Es sind besondere Augenblicke, die ich nicht festhalten kann. Aber die sich, wie der Gang zum Bökelberg in meinem Herzen einen Raum nehmen. Diesen Raum der Emotionen darf ich dann immer wieder mal betreten… als Kind mit glänzenden Augen und einem Gefühl der Dankbarkeit.
Wunderbar…