Was das Herz sagt
von Lucia Traut
Was das Herz sagt
von Lucia Traut
Abendritual mit Tochterkind. Eine “Gute Laune Karte” ziehen, lesen und die Übung auf der Rückseite machen. Heute: “Mein Herz ist voller Liebe. Ich höre auf mein Herz”. Und die Rückseite: “Hör mal hin, was dein Herz dir sagt”.
Tochterkind ist begeistert, sie wolle das jetzt mal machen und ich soll still sein. Sie legt lauschend den Kopf schief, schaut nach rechts, nach links, runzelt die Stirn, senkt das Kinn zur Brust und starrt Richtung ihres Bauches. Eine Minute Stille. Dann: “Das ist ja komisch!”
Ich frage vorsichtig: “Hat dein Herz was gesagt?“
Sie: “Ja. Es hat gesagt: Ich will alle Menschen lieb haben!”
Ich staune schweigend über diese tolle Herzensbotschaft. Tochterkind setzt mit deutlicher Verwunderung nach: “Aber das ist ja gar nicht vernünftig! Das ist ja total verrückt! Und schwierig!“
Ich: “Ja, so ist das mit dem Liebhaben. Liebe ist meistens nicht vernünftig, ein bisschen verrückt und manchmal ist es auch echt schwierig, andere lieb zu haben.” Ich lege meine Hand auf ihre Brust. “Ich finde, du hast ja ein ganz wunderbares Herz, dass es dir so tolle Sachen sagt.”
Tochterkind lächelt. Dann sagt sie energisch: “Jetzt soll mein Herz aber noch was anderes sagen.” Wieder geht das Kinn zur Brust. Ganz zusammengekrümmt sitzt sie da, wie ein Igel im Winterschlaf. Dann geht der Kopf wieder hoch. “Das ist echt komisch. Mein Herz sagt einfach das gleiche wieder. Aber wie soll ich das denn machen? Ich kenne doch gar nicht alle Menschen, das geht doch gar nicht.” Sie schaut zweifelnd bis verzweifelt.
Ich schlage vor: “Manchmal hört man im Herzen ja auch jemand anders, weißt du?” Sie: “Ja klar, Gott! Oder Jesus.” Ihr Gesicht hellt sich auf. “Ich glaub, das war gerade Jesus in meinem Herzen. Der hat ja ALLE Menschen lieb.” Sie breitet die Arme aus zu einer großen Welt-Umarmung. “Na dann ist das ja auch gar nicht so verrückt. Wenn das Jesus in meinem Herzen ist. Der kann ja alle lieb haben!” Ich ergänze: “Na und er will ja auch, dass wir für ihn alle lieb haben. Dass wir das zumindest mal bei denen versuchen, die wir kennen.” Sie nickt. Dann legt sie den Kopf wieder schräg: “Wenn Jesus oder Gott mit einem sprechen, dann hört man eigentlich gar nicht so richtig, dass die was sagen. Das weiß man einfach plötzlich so.”
Wieder die Igel-Stellung, dann geht der Kopf plötzlich hoch mit einem sehr verschmitzten Grinsen: “Und jetzt sagt Jesus, klopf klopf, ich will hier raus. Der ist echt ein Scherzkeks!” Wir lachen zusammen über den witzigen Jesus. Und ich wünsche mir im Geheimen, dass ich auch einfach so und überzeugt sicher gläubig sein kann wie mein Tochterkind….
Foto: Nika Benedictova/pexels