In allem gleich, außer…

Da war es wieder: In allem uns gleich, außer der Sünde! Die Lesung am Sonntag sagte es noch komplizierter: Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat (Hebräerbrief Kapitel 4, Vers 15).

Da sträubt es sich immer in mir. Seit Jahrhunderten beten Menschen diesen Satz in ihren Glaubensbekenntnissen und hat jemand diesen Satz schon mal in Frage gestellt? Wie kann man ohne Sünde sein?

Mir fallen direkt Momente aus dem Leben von Jesus ein, wo er sich in meinen Augen versündigt hat: Der Rauswurf der Händler aus dem Tempel war keine freundliche Sache; die blutflüssige Frau, die er in der Menge anfährt; die Anweisung an seine Freunde den Staub von den Füßen zu schütteln und weiterzuziehen, wenn man sie nicht hören will. Oder bin ich vielleicht einem Pazifisten-Jesus aufgesessen, der mir zu lieb und kuschelig ist?

Ja, das wird es auch sein. Aber ich habe nochmal neu entdeckt, dass es nicht um einen Kuscheljesus geht. Denn der Brief an die Hebräer macht klar, dass er „in allem uns gleich“ wurde – außer der Sünde. Damit hat er gelacht, geflucht, geweint, gebrüllt, gelästert, getrickst und geliebt wie wir. Der Unterschied muss dann darin liegen, was der Bibeltext und das Glaubensbekenntnis mit Sünde meinen.

Hier geht es nicht um die menschliche Moral bzw. Unmoral, da war Jesus wohl auch kein Meister drin, auch wenn er gute Ratschläge und Verhaltensweisen dafür weitergeben konnte. Es geht vielmehr darum, ob Jesus auch die „Ursünde“ begangen hat – von Gott abzufallen, sich von ihm zu trennen bzw. Gott aus dem eigenen Leben auszuklammern. Und dazu sagt der Brief in der Bibel und das fast 1600 Jahre alte Bekenntnis der Kirche: Das hat Jesus nicht getan!

Er war als Gottes Sohn auch Mensch, durch und durch, aber es gab in seinem Leben nie den Moment von Gott so verlassen zu sein, dass er Gott aus seinem Leben ausgeklammert hat. Selbst in der Todesnacht vor der Kreuzigung ist sein Ringen mit Gott noch ein Zeichen der Verbundenheit und sein Verlassensein noch ein Zeichen der Beziehung zwischen beiden. Nie hat es den Moment gegeben, wo Jesus sich von Gott getrennt wusste. Eben auch bis in den Tod – bis ans Kreuz. Auch da ist der Autor des Hebräerbriefes sich sicher: Hier haben Gott und Jesus noch zusammengehalten und nichts kann sie trennen.

Und hier weiß ich genau. Dafür bin ich zu schwach. Weil ich Gott vergesse, in Lebensentscheidungen nicht mit einschließe, Dinge ohne ihn kläre und Fragen nicht an seinen Worten und Zeichen messen lassen will. Da falle ich ab und lasse Gott auch schon mal links liegen. Ob ich das wohl je lernen kann zu ändern?

Foto: Patricia Jekki

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