Herr, gib mir Geduld – aber flott!

Der letzte volle Tag meiner Exerzitien. Ich bin voll drin im Rhythmus. Schweigen, meditieren, spazieren, beten, singen, Stille halten.

In diesem Schwung wollte ich heute zur Vesper gehen und dann das! Eine ganze Reisegruppe war mit dabei. Erst staute es sich vor der Kirche und dann auch noch im Schneckentempo. Die Reisegruppe war im Durchschnittsalter gute 75 Jahre alt und schon etwas schwerfällig. Also musste ich mich mit ihnen im Gänsemarsch in die Kapelle schieben und sagte denen in meinem Umkreis, dass sie gerne ein Heft für die Vesper mitnehmen können. Mich schauten große Augen an.

Also habe ich einen Platz angesteuert und auf den Beginn des Gebetes gewartet. Aber es war wie im Zoo.

„Hier ist kein Platz mehr!“
„Hubert, hier her!“
„Wo fängt man denn in dem Heft an?“
„Ne, watt für eine schöne Kirche!“

Zudem kam – ich nenne ihn mal Karl-Heinz – Karl-Heinz kauend in die Kirche rein. Und schmatzend. Wahrscheinlich die letzte Stulle, die für diesen Ausflugstag geschmiert worden ist und vor der Heimfahrt noch weg muss. Hinter mir die Dame sagte noch: „Super, das mit den kleinen Bänkchen auf dem Boden. Da bleibt die Handtasche so schön sauer.“ Sie meinte das Kniebänkchen. Hinter mir räusperte sich jemand und die Schweizer Kräuterbonbons wurden geräuschvoll ausgepackt.

Himmel Herr, ich wollte doch nur in Ruhe beten.

Erna, die Dame rechts von mir („Guten Abend, ich bin die Erna!“ – so stellte sie sich mir sehr freundlich vor) versuchte ich gerade in das Buch für die Vesper einzuweisen. Ich war dabei schon aus meinem schönen Exerzitienrhythmus wieder raus. Nur die Schwestern im Chorraum behielten noch ihre Geduld.

Schlag 18 Uhr – es ging los. Die Äbtissin eröffnet – heute mal auf Latein. Ein Raunen, ein Murmeln, ein Flüstern setzt ein. Eine Mischung aus „Wie früher“, „Ne, nicht wirklich…!“ und „Was hat sie gesagt?“

Beim ersten „Ehre sei dem Vater..:“ habe ich Erna dann wohl etwas aus der Fassung gebracht. Hier bei den Schwestern ist es üblich, sich dabei zu verneigen. Da Erna aber nur meinen Kopf nach vorne schnellen sah, fragte sie verwundert. „Haben Sie was verloren? Eine Kontaktlinse?“. Ich murmelte ein „Nein“ und versuchte dabei streng zu klingen.

Herr, gib mir Geduld – aber flott!

Doch dann wurde es ruhig. Ein paar Schuhe scharrten noch unruhig über den Boden und einige versuchten in die Melodie der Psalmen mit einzusteigen. Ich fand dann auch zur Ruhe.

Jetzt sind sie weg. Die alten Damen und Herren der Reisegruppe, die meine Exerzitieninsel für einen kurzen Moment zum Zoo gemacht haben. Und es ist ruhig. Exerzitienruhe. Aber ab morgen gibt es wieder die Realität. Im Trubel des Alltags. Und ich denke mir: Danke Herr, dass du mir heute einen Vorgeschmack auf die andere Realität geschenkt hast. Eine bessere Vorbereitung hätte es nicht geben können. :-)

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